BÜRGERINFORMATION | Für wie viele ihrer Bürger soll/kann/muss eine Verwaltung entscheiden und handeln?

( k-info | 26.08.2013 )  -  Die Stadt XYZ brauche einen Bürgermeister, der die Interessen der Bürger in den Vordergrund seiner Tätigkeit stellt, sagte vor einiger Zeit das Mitglied einer Bürgerinitiatve in der Presse und meint mit dem von ihm reklamierten "Bürgerinteresse" natürlich das seiner Initiative.

"Lobbyarbeit" nennen das andere, im konkreten Fall wohl aus deshalb zutreffend, weil es in dem Ort noch weitere Bürgerinitiativen gab, die völlig andere Interessen vertraten. Was sind also die "Interessen der Bürger", die (im konkreten Beispiel von einem Bürgermeister) vertreten werden sollen? 

Ein einfaches Beispiel: Herr Fritz wohnt in der "Waldstraße" und ärgert sich darüber, dass zu wenig Bäume in der "Waldstraße" stehen und dafür zu viele Straßenlaternen. Er gründet die Bürgerinitiative "Meine Waldstraße" und die setzt sich als Ziel "Weniger Licht und mehr Grün in der 'Waldstraße'". Herr Fritz leistet gute Lobbyarbeit ("Lobby" deshalb, weil sich im Vorrraum eines Sitzungssaals - umgangssprachlich "Lobby" genannt - trefflich Gespräche führen und Interessen in Politikerköpfe transpotieren lassen) und schon nach kurzer Zeit sind viele Stadträte davon uberzeugt, dass DIE Bürger der "Waldstraße" weniger Lampen und dafür mehr Bäume wollen. Sogar der Bürgermeister spricht schon bald davon, dass er sich in der "Waldstraße" mehr Grün vorstellen kann.

Das ärgert aber Herrn Franz, der gegenüber von Herrn Fritz wohnt (über den er sich im Übrigen ebenfalls - und das schon lange - ärgert), und dieser gründet eine weiter Bürgerintiative mit dem Titel "Mehr Licht", die den Standpunkt vertritt, es gäbe in der "Waldstraße" schon zu viele Bäume und das Ungeziefer laufe manchmal direkt von den Ästen in die gute Stube. Außerdem, so die BI "Mehr Licht", würden viele alte Menschen in der Straße leben und weniger Licht käme deren Sehschwäche nicht entgegen. Herr Franz kennt einen Redakteur der Lokalzeitung gut und die berichtet in der Woche darauf über die Stuation in der "Waldstraße" aus Sicht des Herrn Franz und zeigt diesen vor seinem Haus, mit dem Finger in Richtung seines Fensters deutend und auf eine Ameise zeigend, die auf der Fensterbank läuft, die man allerdings auf dem Foto nicht sehen kann. Der Bürgermeister äußert daraufhin sein Verständnis für die Bedürfnisse alter Menschen und gibt zu, dass er sich auch schon einmal über einen Marienkäfer in seiner Kaffeetasse geärgert hat. Das empört wiederum Herrn Fritz und seine Mannen.

Die Woche darauf ist daher Herr Fritz in der Lokalpresse. Sein Foto unter der Überschrift "Wir fühlen uns verarscht!" ist etwas größer als das von Herrn Franz eine Woche zuvor und Herr Fritz deutet auf eine Lampe, die an der Straßenecke steht; direkt gegenüber sieht man eine Lampe der Seitenstraße. "Wir haben lange und intensiv mit der Verwaltung über die beste Lösung für unsere Straße diskutiert", wird er zitiert, und man sei zu guten Lösungen gekommen, sagt er.

"Diese Lösungen kenne ich", ereifert Herr Franz sich auf seiner nächsten Veranstaltung, zu der er die Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates eingeladen hat. Zukünftig soll nicht nur ein Baum vor seinem Grundstück stehen sondern zusätzlich noch ein zweiter. Das sei aber niemals tiefgründig geprüft worden, behauptet Herr Franz, sondern eine Gemeinheit von Herrn Fritz. Herr Kurz von der Verwaltung meldet sich zu Wort und sagt zu Herrn Franz, viele von dessen Gegenargumenten, wie Baumfällungen und die schlechte Ausleuchtung der "Waldstraße" konnten einer genaueren Prüfung nicht standhalten.

Als sich daraufhin eine Stadtrats-Mehrheit für einen Umbau der "Waldstraße" abzeichnet und der Bürgermeister verkündet, der Umbau der Straße sei eine Verbesserung im Sinne des Kommunalabgabengesetzes, an deren Kosten sich die Grundstückseigentümer mit 70 % zu beteiligen haben, ist die Empörung in beiden Bürgerinitiativen groß. Man trifft sich und beide schließen sich zusammen zur neuen Initiative "WWW" (= "Wir Wutbürger in der Waldstraße"). Herr Fritz wird Vorsitzender und Herr Franz der Initiativensprecher.

"Verquere Politik und kein guter Stil des Oberbürgermeisters", kann man nun auf Spruchbändern und Flugblättern lesen.. Anfangs habe die Verwaltung stets betont. "Noch ist nichts entschieden", sagt Herr Franz und nun wolle man die Bürger abzocken. Herr Fritz nagelt derweil Pappschilder an die Bäume der Straße und auf denen steht: "Wir müssen sterben!". Das ruft Herrn Klein vom Ordnungsamt auf den Plan, der Herrn Fritz Baumfrevel vorwirft.

Und überhaupt: Wie soll die Verwaltung in solchen Fällen handeln?

Kommentar zum Thema:

Der richtige Umgang mit Bürgerintiativen, das optimierte Umsetzen von Verwaltungsinteressen, das frühzeitige Einbinden der Bürger in Verwaltungsabläufe kann man ebenso trainieren, wie viele andere Dinge im Leben auch.

Besuchen Sie deshalb Fortbildungsveranstaltungen oder buchen Sie ein Konflikt- oder Verwaltungstraining. Der Komponist Robert Schumann sagte einst "Es ist des Lernens kein Ende" und der russische Violinst Zakhar Bron meint "Ein Diamant leuchtet nur, wenn er geschliffen ist." - An beiden Sinnsprüchen ist viel Wahres.

Rainer Sauer, Jena